Wir sind so damit beschäftigt, nicht rassistisch zu wirken, dass wir manchmal vergessen, nicht rassistisch zu sein

Rassismus ist auch an unserer Schule ein sehr kontrovers diskutiertes und oft ein sehr schweres Thema. Organisationen wie „Schule ohne Rassismus“, die Demokratieförderung und natürlich unsere Schulsozialarbeiterin versuchen täglich, über Rassismus aufzuklären und Schüler*innen sowie Lehrer*innen zu sensibilisieren. Das war leider nicht immer so.

Es ist nicht einmal 100 Jahre her, da wurden am Gymnasium St. Augustin zu Grimma noch Schulbücher im Fach Biologie ausgeteilt, die sich auf über 100 Seiten mit Rassen von Menschen befassten. Unwissenschaftliche Erkenntnisse und mehr durch Gefühl denn durch Vernunft entstandene „Fakten“ über Menschen und deren angebliche Rassen wurden als Selbstverständlichkeit verkauft und für wahr erklärt. Unter der Überschrift „Die Entnordung der europäischen Völker“ findet man geistige Ergüsse über die Zusammengehörigkeit von „Blut und Boden“ und dass „nordisches Blut“ nicht in allen Gegenden der Erde gedeihe. Man braucht sehr viel Geduld und starke Nerven, um sich diese beschämende und zum Teil gruselige Lektüre zu Gemüte zu führen. Wen es dennoch interessiert, kann dieses Biologiebuch von 1938 im Schularchiv finden.

Aber um Rassismus zu finden, müssen wir nicht ins Archiv gehen. Es reicht, durch den Haupteingang unserer Schule zu laufen und schon kann man die Büste Martin Luthers sehen. Martin Luther, der Reformator aus dem 16. Jahrhundert, hat Dinge gesagt wie: „An ihrer Vertreibung und Verfolgung sind die Juden selber Schuld.“, oder: „Der Türke ist der letzte und ärgste Zorn des Teufels.“, oder: „kein blutdürstigeres und rachgieriges Volk  [als das Judentum] hat die Sonne je beschienen.“ Interessant, wie unkritisch und bedingungslos verehrend unsere Schule mit jemandem umgeht, der ein offener Antisemit und Rassist war.

Aber es scheint immer wieder das gleiche Problem zu sein: Wo Gleichheit proklamiert wird, wird sie meistens nicht umgesetzt. Dieses Problem finden wir bei sämtlichen Beispielen der Geschichte. Ob Kant oder Marx – immer wurden die eigenen Werte nicht eingehalten. Genau aus diesem Grund müssen wir aber auch an unserer Schule vorsichtig sein. Dass wir uns „Schule ohne Rassismus“ nennen, heißt leider nicht, dass wir frei von Rassismus sind. Gerade wenn man mit „people of color“ (beschreibt jene Individuen und Gruppen, die vielfältigen Formen von Rassismus ausgesetzt sind) unserer Schule spricht, hört man oft, dass sie sich mehr Unterstützung seitens der Schule wünschen würden.

Wir müssen sehr aufpassen, dass wir nicht nur Floskeln schwingen, sondern auch wirklich etwas aktiv gegen Rassismus tun. Oder anders ausgedrückt: Wir sind so damit beschäftigt, nicht rassistisch zu wirken, dass wir manchmal vergessen, nicht rassistisch zu sein.

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