“Sturm” von Christian Scheuring (Buchrezension)

Die 17-jährige Klima- und Tierschützerin Nora hat in ihrem Leben schon viel durchmachen müssen. Ihr Vater ist Alkoholiker und gewalttätig gegenüber seiner Tochter und seiner Frau, die bald die Koffer packt und verschwindet. Auf sich allein gestellt, will Nora kein Opfer mehr sein und lernt bald sich durchzusetzen. Für den Schutz der Umwelt und Tiere ist sie sogar bereit Gesetze zu brechen. Nach ihrer jüngsten Protestaktion auf einem Schlachthof wird Nora zu 300 Sozialstunden verurteilt, welche sie auf dem Schiff des kanadischen Fischers Johan ableisten muss. Doch dann gerät das Schiff in einen Hurrikan und geht unter. Nora und Johan können sich auf ein kleines Boot retten und müssen nun gegen die Naturgewalt „Meer“ ankämpfen. Genau diese verändert die Sicht zweier Menschen aufeinander, die auf den ersten Blick nicht gegensätzlicher sein könnten.

Beide Meinungen der Hauptcharaktere zum Thema Umwelt werden vom Autor geschickt in Szene gesetzt, ohne dabei eine in den Vordergrund zu schieben. Mit sehr anschaulichen Erzählungen entsteht ein Bild im Kopf des Lesers. Das Schlachten einer Kuh und die Zustände auf dem Schlachthof beispielsweise hinterlassen einen Schauer auf dem Rücken und aufgewühlte Gefühle. Leider werden solche Tatsachen allzu oft verdrängt, weshalb es gerade wichtig ist darüber zu schreiben. Durch die unterschiedlichen Sichtweisen von Nora und Johan erweitert man den eigenen Horizont und bemerkt, dass alles keinesfalls nur schwarz und weiß gesehen kann. Es geht ebenfalls um das Verständnis und den Respekt gegenüber anderen Menschen, Lebewesen und eben der Natur. An der Sprache wird deutlich, dass diese Themen Christoph Scheuring am Herzen liegen, was die Geschichte glaubhaft, interessant und spannend macht. Obwohl die Altersempfehlung seitens des Verlages ab vierzehn Jahren festgelegt wurde, können sicherlich auch Erwachsene viel Spaß beim Lesen haben. Auch das Cover des Buches fällt dem Leser gleich ins Auge. Mit dezenten Farben sind viele Wellen darauf gezeichnet und die Schrift passt hervorragend dazu. Wirft man dann noch einen Blick ins Innere, stellt man fest, dass dieses Werk auf FSC-Papier*1 gedruckt, mit lösungsmittelfreiem Klebstoff gebunden und in Deutschland hergestellt wurde. Lesespaß bei gleichzeitigem Schonen der Umwelt!

Nach Beendigung des Buches habe ich über die vorschnellen Urteile, welche man über Personen fällt nachgedacht. Fischer sind alles schlechte Menschen, weil sie mit ihren Schleppnetzen nicht nur die Fischzahlen minimieren, sondern auch den Boden zerstören. Aber könnte man nicht mit eingeschränkten und traditionelleren Fangweisen diese Artenvielfalt erhalten? Johan sowie auch dessen Großvater haben sehr viel dazu zu sagen. Mit Nora, die stellvertretend für viele Klimaaktivist*innen steht, wird ein neuer Denkprozess in Gang gesetzt, der eben Licht ins Dunkle wirft und somit die allgemeine Meinung, zum Beispiel zur Fischerei, näher beleuchtet. Die detailreichen Beschreibungen von teilweise brutalen Vorgängen sind nicht etwas für jedermann, aber tragen auch hier zum Nachdenken bei. Insgesamt ist „Sturm“ ein sehr gelungenes Buch, welchem man keinen „Klima- und Umweltschutz-Moralprediger-Stempel“ aufdrücken sollte.


*1 FSC steht für „Forest Stewardship Council“ und ist ein internationales Zertifizierungssystem für nachhaltigere Waldwirtschaft. Das Holz von Möbeln, Spielzeugen, Büchern, Schulheften oder Bleistiften mit FSC-Siegel kommt aus Wäldern, die verantwortungsvoller bewirtschaftet werden. (https://www.wwf.de/themen-projekte/waelder/verantwortungsvollere-waldnutzung/fsc-was-ist-das/)

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