Brief an die Jugend

Liebe Mitschülerinnen und Mitschüler,
es gibt da diese eine Sache, die ich mir wünsche und die die Band Tocotronic einst besang: „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein.“ Aber das ist echt verdammt schwierig. Wenn ich mich in der Schule oder an der Haltestelle umsehe, beobachte ich euch, liebe Jugendlichen, wie ihr fast einschlaft. Ihr tragt die gleiche Kleidung und starrt alle auf eure Smartphones, während ihr lautstark anderen Menschen eure Musik aufzwingt. Ihr folgt denselben Influencern und Influencerinnen auf TikTok, Instagram und Co. Ihr wollt perfekt sein, so wie die scheinbar makellosen Bilder von Menschen auf euren Displays. Ihr legt Wert auf Markenklamotten und eigentlich geht es nur noch um Äußerlichkeiten. Wenn man euch genauer betrachtet, sehe ich oft in die kalten Fischaugen, die schon Ödön von Horváth beschrieb. Jugend ohne Gott? Jugend ohne Verstand? Zweifelt ihr etwa so stark an euch selbst? Sind euch diese Schönheitsideale so wichtig? Wollt ihr denn nicht Teil einer Bewegung sein? Ihr Jugendlichen seid heutzutage gefühlt nicht mehr eigeninitiativ, weil euch ja alles vorgegeben wird. Euer Smartphone bestimmt fast euren kompletten Alltag; es sagt dir wann und wie lang du joggen gehen sollst, wann du einen Termin hast und welche Videos auf YouTube du dir unbedingt noch anschauen solltest. Die Musik, die ihr Jugendlichen hört, wird euch empfohlen, weil ihr gestern noch ein Lied aus einer Playlist gehört habt, mit „Liedern die dir auch gefallen könnten“. Euer Interesse ist nicht wahrhaftig und ihr bringt euch nirgendwo ein. Für rassistische und sexistische Sprüche ist bei euch genug Raum, aber nicht für Engagement.

Es gibt aber auch andere Jugendliche, noch lang nicht so viele, wie ich mir wünsche, doch ich habe sie getroffen. Menschen, denen gewisse Dinge noch etwas bedeuten, die sich wirklich mit anderen Jugendlichen unterhalten, diskutieren und die die Kleidung tragen, in der sie sich gut fühlen, auch wenn sie wissen, dass das anderen nicht immer passt. Die, die geistig beweglich sind und sich auf Neues einlassen, auch auf die Gefahr hin, mal nicht die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Sie setzen sich für gegenseitige Toleranz ein. Sie wollen in erster Linie sich selbst gefallen. Ihr trefft sie auf Demos und Konzerten, in Jugendparlamenten, aber auch einfach auf der Straße.

Und jetzt sagt mir: Warum sitzen hier so viele Jugendliche immer noch an der Haltestelle und warten?

Wenn ihr jugendlich seid, habt ihr doch so viele Möglichkeiten. Also nutzt sie einfach. Seid vielfältiger und offener. Entwickelt eure Persönlichkeit, so dass ihr euch gut fühlt. Engagiert euch und interessiert euch für eure Zukunft und die aller anderen. Helft dabei, unsere Erde zu schützen. Informiert euch über politische Themen und vertretet eure Meinungen. Zeigt allen, wer ihr wirklich seid, ohne Angst zu haben, dass ihr ein paar Leuten nicht gefallt. Irgendwer wird euch nie leiden können, aber hier geht es darum, dass ihr euch selbst mögt. Und sagt allen, was ihr denkt! Demonstriert und tauscht euch mit anderen Jugendlichen aus. Setzt euch für das ein, was euch wichtig ist und hört niemals auf, laut zu sein!

Und hoffentlich wird es eines Tages so sein, wie es die White Stripes vorhersagten: „We’re Going to Be Friends.“

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